Gesundheit hatte selten einen so großen gesellschaftlichen Stellenwert wie heute. Dabei ist das hohe Aufmerksamkeitsniveau mit einer paradoxen Situation konfrontiert: Noch nie wurden – zumindest hierzulande – Menschen so alt, weil das gesundheitliche Wissen und der wissenschaftliche Fortschritt der Medizin enorm zugenommen haben. Und noch nie gab es so viele psychische Erkrankungen und körperliche Gebrechen, wobei die zunehmenden Folgen von Drogen und anderen Exzessen körperlicher Selbstoptimierung noch nicht berücksichtigt sind.

Beim Thema Gesundheit und der korrespondieren Medizin spiegeln sich die aktuellen Zustände der Gesellschaft wider, ob im Umgang und dem Leiden mit und an der Pandemie, in der Sorge über die Folgen der Gesundheit durch den Klimawandel, oder wie digitale und KI-basierte Medizin Gesundheit beeinflussen werden, dies bei einem gleichzeitig dramatischen Mangel an medizinischem und pflegerischem Personal für die notwendige Versorgung. Hinzu kommt die Frage, wie sich aktuell bedrohliche Kriege und Vernichtungserfahrungen psychosozial auswirken werden.

Mehr denn je stehen existentielle Fragen im Raum, die uns mit Grenzen und zukünftigen Herausforderungen konfrontieren. Wie werden wir mit Krankheit und Gesundheit unter solchen Bedingungen umgehen? Aber auch: Wie verantwortlich verhalten wir uns selbst, und was bedeutet dann Lebensqualität?

Wenn auch nie ganz erreichbar, so ist die Definition von Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) doch ein Maßstab zur Orientierung: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Das Erreichen des höchstmöglichen Gesundheitsniveaus ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der politischen Überzeugung, wie auch der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung“.

Zusammengedacht mit der realen Lebenssituation bestehen eher Verunsicherungen und Zweifel, was die Zukunft beim Thema Gesundheit betrifft. Es scheint daher angebracht, den Zusammenhang von individueller Gesundheit, Medizin, Wissenschaft, Gesundheits- und Sozialsystem erneut kritisch zu durchdenken und Möglichkeiten und Grenzen aufzuzeigen. Dazu gehören auch ethische Fragen nach menschengerechtem Handeln, und welche Bedeutung der Religion beim Thema Gesundheit zukommt.

Die Evangelische Stadtakademie beginnt mit dem Zukunftsforum Gesundheit ein neues Veranstaltungsformat. Mit diesem Format und einer ersten Veranstaltungsreihe geht die Akademie zudem neue Wege, indem diese Reihe aus einem Kreis von Expertinnen und Experten des Gesundheitssystems und naturwissenschaftlicher Kompetenz getragen wird. Dieser Kreis entstand aus einer Umfrage unter Kirchenmitgliedern.

Die erste Veranstaltung zu körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit beginnt mit dem Thema:
Was bestimmt unsere Gesundheit, zukunftsweisende Medizinsysteme heute.“ Ausgangspunkt ist die Bedeutung von Traumatisierung für unser derzeitiges Leben. Zu fragen ist, Welche Traumata spezifisch Befindlichkeitsstörungen und Erkrankungen auslösen. Wenn wir das System hinter diesen Mechanismen begreifen, können wir rechtzeitig gegensteuern und unsere Widerstandskraft stärken. Welche Hilfestellungen bieten uns Medizinsysteme, wie die Informations- und Regulationsmedizin gegenüber der Mainstreammedizin, um in körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit leben zu können? Welche Rolle spielt hierbei die Salutogenese? Diagnose- und Therapieansätze werden angerissen. Diese Perspektive bedeutet jedoch nicht, dass auf die Schulmedizin verzichtet werden könnte. Trotz vieler Unzulänglichkeiten unseres Gesundheitssystems, hängt seine Verbesserung nicht zuletzt vom wissenschaftlich-technischen Fortschritt ab.

Die zweite Veranstaltung widmet sich dem Thema: „Gesundheitliche und soziale Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft – Die unverarbeiteten Traumata von Generationen“. Die Diskussionen über Missbrauch, Kriegsfolgen bis in die Enkelgeneration und erneut die erschütternden Kriegsbilder in der Ukraine wie der traumatische Konflikt in Israel/Palästina führen die Relevanz dieses Themas für den Einzelnen wie für die Gesellschaft vor Augen.

Der dritte Vortrag mit dem Thema „Regenerative Medizin – Hopes & Hype“ widmet sich dem vielleicht innovativsten Feld der biomedizinischen Forschung. Es basiert auf dem Einsatz von Stammzellen, welche zur Gewebezüchtung und -transplantation, zur Entwicklung neuer Medikamente (Pharma) bei massiver Verringerung von Tierversuchen, sowie neuartiger Verfahren im Agrar- und Nahrungsmittelbereich herangezogen werden.

Mit dem Thema „Digitalmedizin: Einstieg in die patientenzentrierte Versorgung“ mit dem Referenten Prof. Dr. Rainer Kollmar, Direktor der Klinik für Neurologie und Neurointensivmedizin und leitender ärztlicher Direktor am Klinikum Darmstadt wird die Reihe fortgesetzt.

Den Abschluss bildet  der Vortrag „Generationenkonflikt, Altersdiskriminierung und Gesundheitsversorgung“ von Prof. Dr. med. Johannes Pantel, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Dr. Franz Grubauer moderiert.