Der Darmstädter Carlo-Mierendorff, an den wir mit dieser Reihe erinnern, hatte in den gesellschaftlichen Umbrüchen der Zeit vor dem Nationalsozialismus früh erkannt, dass die soziale, politische und kulturelle Spaltung der Gesellschaft zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum, wie man es damals nannte, unheilvoll sein würde.
Heute 2025 unter zwar anderen ökonomischen, sozialen und kulturellen Vorzeichen in Europa und in der Welt, gibt es ins Auge fallende Verbindungspunkte. Technologie wie Wirtschaft sind in der globalen Welt im radikalen Umbruch mit vielen Folgen für das Gefüge der Gesellschaft ähnlich wie bei der zweiten industriellen Revolution in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Die vierte industrielle Revolution zur digitalen Gesellschaft erzeugt Konflikte um Auf- und Abstiege, schafft neue Ungleichheit um Lebenschancen, Anerkennung und Dazugehörigkeit; Das alles ist wechselseitig verbunden mit einer Krise der kulturellen Werte und des politischen Systems. Das was einmal mit klaren Zuordnungen Arbeits-und Industriegesellschaft genannt wurde, existiert so nicht mehr.
Fast alle Bereiche der Gesellschaft, alle Berufe und kulturelle Orientierungen werden infrage gestellt, ein Wechsel zwischen Dynamik und Stillstand. Ob man diese Dynamik als Spaltung beschreibt oder als eine Art von Paralyse oder als das Entstehen neuer Klassenkonflikt: Es bleibt auch eine Arena der Auseinandersetzung um Macht und Deutungshoheit. Für die Gesellschaft jedenfalls geht es um Abstiegsängsten und Bedrohungsgefühle durch das Herausfallen aus Gemeinschaften und Zugehörigkeiten. Damit verbunden sind Demütigungen und Kränkungserfahrungen und nicht zuletzt soziale Scham, Gefühle, die leicht in Resignation oder Aggression umschlagen. Der Reihe will deshalb verstehen, was diese Konflikte zuspitzt. Sie fragt aber auch zugleich, was trotz aller Interessenskonflikte zwischen Klassen und Schichten der Gesellschaft verbinden kann.